Wanderbericht
2015 ist es endlich soweit und wir starten unseren ersten Fernwanderweg - den West Highland Way in Schottland.
Auf dem West Highland Way haben wir für jede Nacht eine Unterkunft gebucht, wir reisen nicht mit Zelt. Das hat zwei Gründe: unsere Unerfahrenheit mit Fernwanderungen zum Zeitpunkt der Reise und die Angst vor Regen. Unsere Entscheidung war goldrichtig.
"It rained and rained and rained and rained
the average was well maintained
and when our fields were simply bogs
it startet raining cats and dogs.
After a drought of half an hour
there came a most refreshing shower
and then the queerest thing of all
a gentle rain befan to fall.
Next day 'twas pretty fairly dry
save for deluge from the sky.
This wetted people to the skin
but after that the rain set in.
We wondered what's the next we'd get
as sure as fate we gor more wet.
But soon we'll have a change again
and we shall have a drop of rain."
Unbekannter Autor
Weitere Details zur Planung findet ihr hier.
Richtig gut hat auch der Reiseführer aus dem Conrad Stein Verlag - Schottland: West Highland Way bei der Planung, aber auch auf dem Weg selbst geholfen. Wir haben uns (fast) immer zwei Etappen pro Tag vorgenommen und sind damit gut zurecht gekommen. Wer es ein bisschen entspannter angehen möchte, kann auch nur die Hälfte unserer Tageskilometer laufen, die einzelnen Etappen sind im Wanderführer beschrieben.
Tag 1: Milngavie - Drymen
Nach einer wundervollen Nacht, sammeln wir mit Lachs und Rührei Kraft für die erste Wanderetappe.
Auf dem Weg zum offiziellen Startpunkt, halten wir noch einen kurzen Plausch mit einem älteren, freundlichen Schotten, der uns viel Glück für den Weg wünscht - zumindest soweit wir ihn da richtig verstanden haben - der schottische Dialekt... .
Der Startpunkt des West Highland Way liegt mitten in der kleinen Fußgängerzone von Milngavie, aber nach nur wenigen Metern sind wir von Bäumen, Sträuchern und Tannen umgeben.
Anfangs wirkt der Weg noch parkähnlich, doch schon bald ändert sich die Landschaft. Der Weg wird steiniger, gesäumt von Ginsterbüschen, Wald und Wiesen. Mitten in einer Wiese steht ein Reh, das uns in aller Ruhe beobachtet.
Weiter geht es über Schafweiden, bis wir gegen Mittag die Glengoyne Destillerie erreichen. Dort stärken wir uns noch kurz mit Knäckebrot, Tomaten und Frischkäse, bevor es zur Führung durch die Destillerie geht. Letztlich sind wir überrascht, wie aufwändig die Produktion ist und wieviele Feinheiten - zum Beispiel die Herkunft des Holzes für das Fass, was zuvor in den Fässern gelagert wurde - zum Beispiel Sherry - und welches Holz für das Fass genutzt wird - für das Endprodukt relevant ist.
Zur Tour gehört natürlich auch eine Kostprobe.
Nach diesem Zwischenstopp nehmen wir den zweiten Teil der Etappe in den Lowlands in Angriff.
Im Gänsemarsch laufen wir einen Weg gesäumt von blühenden Bäumen entlang. Es scheint überwiegend die Sonne, ab und zu tröpfelt es etwas. Wir wissen noch nicht, dass das das beste Wetter ist, das wir auf unserer Tour haben werden.
Im strahlenden Sonnenschein erreichen wir Drymen. Unsere Unterkunft ist das Clachan, der angeblich älteste Pub Schottlands. Dort genießen wir ein Bier und Haggis (Martin) / Burger (ich). Danach drehen wir noch eine kurze Runde durch das Dorf, dann geht es ins Bett. Laufen macht müde. Ca. 19 km sind wir zum aufwärmen gelaufen.
Tag 2: Drymen - Rowardennan
Nach einem kleinen kontinentalen Frühstück brechen wir auf, knapp 20 km liegen vor uns. Auf dem Forstweg kommen wir sehr zügig voran, nur die Wahl der richtigen "Zwiebel" hält uns auf - so ist das immer am Anfang einer Wanderung. Regenjacke und T-Shirt, Regenjacke und Fleecejacke oder Regenjacke und Langarmshirt, alles wird nacheinander geprüft und dann doch wieder gewechselt :). Zudem bringt uns das wechselhafte Wetter mehr ins Schwitzen als die Tour oder die An- und Auszieh-Orgien selbst.
Bald geht es steil aufwärts auf den Gipfel des Conic Hill. Von oben haben wir einen tollen Ausblick auf den vor uns liegenden Loch Lomond und die beginnenden Highlands. Beim Abstieg macht sich mein Knie schmerzhaft bemerkbar - ich habe eine noch nicht vollständig ausgeheilte Joggingentzündung an der Sehne. Das Gewicht des Rucksacks überfordert mein Knie.
Nichts desto trotz kehren wir mittags im Oak Tree Inn in Balmaha ein. Es gibt Fisch and Chips - typisch schottisch sehr sparsam gewürzt.
Die zweite Etappe des Tages führt uns am Ufer des Sees entlang.
Bald erreichen wir unsere Unterkunft, das Shepards House - unsere schönste Unterkunft in Schottland.
Dort angekommen vereinbaren wir sofort einen Gepäcktransport für meinen Rucksack, um mein Knie zu entlasten. Das klappt schnell und unkompliziert, ich bin erleichtert.
Das Shepards House selbst ist eine Vintage Schäferhütte mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Zum Abendessen bringt uns Chris, unser Gastgeber, ein "kleines" Walkers Supper: herzhafter Eintopf, lauwarmes, frisches Brot, Käse und iced Ginger Cake, sowie Limo und heiße Schokolade mit Marshmellows und Sahne. Pappsatt fallen wir ins Bett und lauschen dem Regen.
Tag 3: Rowardennan - Inverarnan
Tag drei der Wanderung wird ein laaaaaanger Wandertag - ca. 24 km- , da das Shepards House nicht ganz in Rowardennan liegt. Beim Frühstück ahnen wir davon aber noch nichts und lassen uns wieder verwöhnen. Mit prall gefüllten Bäuchen und nur einem Rucksack, den Martin trägt, starten wir. Es geht auf einer scheinbar endlosen Forststrasse bei Nieselregen nach Inversnaid. Trotz hohem Tempo erreichen wir unser Etappenziel nicht bis Mittags und essen daher nur kurz und von Midgets geplagt am Wegesrand. Erste gegen 14.30 Uhr erreichen wir Inversnaid, hier ist die Hälfte geschafft.
Weiter geht es wieder am See entlang. Das erste Stück ist dabei sehr fordernd, stellenweise müssen wir ein bisschen klettern. Danach lichtet sich der dichte Laubwald und bietet wunderschöne Ausblicke auf den See und die Blumen und Bäume am Wegesrand. Anfangs teilen wir uns noch den Weg mit einer jungen Frau, sie nimmt aber dann eine Fähre (eine Bedarfsfähre, die man explizit durch das setzen einer Flagge anfordert) und wir erkennen zum ersten Mal die tatsächliche Einsamkeit der Highlands. Wir haben einen wunderbaren Blick auf Ben Lomond und hinter dem nächsten Tal, dem Glen Falloch, beindruckende Berge.
Zwischendurch hatten wir Zweifel, ob wir es noch im Hellen ins Hotel schaffen, letzlich kommen wir aber doch noch rechtzeitig im Drovers Inn an. Das Hotel ist richtig urig und die Gaststube scheint sich seit dem vorigen Jahrhundert nicht verändert zu haben. Ein Bierchen noch, dann geht ein langer Tag zu Ende.
Tag 4: Inverarnan - Tyndrum
Ohne von Geistern oder Spuk gestört worden zu sein, wachen wir erfrischt wieder auf. Endlich gibt es mal ein schottisches Frühstück mit Eiern, Speck, Bohnen und Würstchen. Das warme Frühstück tut gut, der Tag wird kalt und nass werden.
Mittags rasten wir im beheizbaren Bahnhofshäuschen in Crianslarich und entkommen so für kurze Zeit der Feuchtigkeit und Kälte. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Kirkton Farm. Wir sehen eine Weile beim Scheeren zu und freuen uns über die lustigen Blicke der Schafe, wenn sie danach nackt über die Wiese hüpfen. Gleich darauf erreichen wir die Überreste der Kapelle des heiligen Fillan. Die Ruhe, die diese Stätte ausstrahlt, wirkt sich auch auf uns aus.
Kurz vor dem Tagesziel Tyndrum kommen wir an einem See vorbei, auf dessen Grund der Legende nach das Schwert von Robert the Bruce liegt. Er hat es angeblich nach einer verlorenen Schlacht in den See geschmissen, damit es seinen Gegnern nicht in die Hände fällt. Bis heute wurde das Schwert nicht gefunden und ohne Schnorchel wollten wir uns auch nicht auf die Suche machen.
Mit schmerzenden Füßen erreichen wir nach 21 km Wanderung endlich den Ort. Punkt 18 Uhr sitzen wir beim Abendessen im Tyndrum Inn.
Tag 5: Tyndrum - Bridge of Orchy
Der Weg führt zunächst auf einer alten Autostrasse entlang, die aber in den 20er Jahren duch eine neue Trasse ersetzt wurde.
Der Regen fällt heute besonders konstant. Mit fröhlichen Liedern auf den Lippen versuchen wir gegen das schlechte Wetter anzusingen. Nichts desto trotz sind wir heute sehr froh darüber, dass es unsere kürzeste Etappe mit nur ca. 10 km ist und dass wir gute Regenausrüstung mit dabei haben.
Man könnte hier noch eine kleine Extra-Runde anhängen und den über 1000m hohen Beinn Dorain besteigen. Bei dem Wetter haben wir darauf aber keine Lust und genießen den Rest des Tages im Bridge of Orchy Hotel.
Tag 6: Bridge of Orchy - Kinlochleven
Im Hotel genießen wir ein Luxusfrühstück: !Echtes Obst! und Eggs Benedict. Damit gestärkt starten wir zur Victoria Bridge, heute haben wir über 33 km Weg vor uns. Das erste Etappenziel, die Victoria Bridge, erreichen wir schnell und überraschend trocken heute.
Danach geht es durch das Rannoch Moor - für uns der schönste Teil des West Highland Ways. Wie Aragorn und Legolas stiefeln wir durch das Land. Die unglaubliche Weite des Moores mit seiner Kargheit gibt den Blick frei auf die nahen Berge. Die Heide blüht und die verschiedenen gelb, rot, grün und grau Töne sind eindrucksvoll. Beflügelt durch die Landschaft erreichen wir das nächste Etappenziel, das Kingshouse Hotel, viel früher als gedacht. Dort gibt es eine schnelle Erbsensuppe, danach nehmen wir das Devils Staircase, einen Bergpfad, in Angriff. Der Weg führt über einen Pass in 550 m Höhe, dem höchsten Punkt des Fernwanderweges.
Der Aufstieg geht flott, der Abstieg dafür umso länger. Wir sind dann doch froh, dass wir abends Kinlochleven erreichen.
Diese Etappe ist mit mehr als 34km inkl. der einzigen Bergetappe die Längste auf dem West Highland Way. Im Ort essen wir Chilli con Carne, endlich mal etwas mit Gewürz 🌶️.
Tag 7: Pausentag in Glencoe
Am nächsten Morgen erwache ich früh und sehe wie die Wolken sich von den Bergen herab ins Tal ergießen. Diesen Anblick möchte ich festhalten und mache einen Spaziergang durch den Ort. Wieder zurück fahren wir mit dem Bus nach Glencoe.
Dort angekommen laufen wir ersteinmal durch den Ort - unschlüssig, welche Richtung wir einschlagen wollen. Für den Anfang gehen wir zum Denkmal, das an das Massaker im Glencoe Tal erinnert. Von dort lassen wir uns durch die nahe, in kanadischen Stil gestaltete Parkanlage treiben. Ein Schotte hat den Park angelegt, er wollte damit das Heimweh seiner kanadischen Frau lindern.
Durch Zufall entdecken wir eine Karte mir Ausflugszielen in der näheren Umgebung. So beschließen wir zum Besucherzentrum in der Nähe zu laufen. Dort erwarten uns touristische Menschenmassen und schottische Folklore.
Nach einem kurzen Plausch mit dem Ranger vor Ort gehen wir tiefer ins Glencoe Tal hinein. Dabei haben wir einen wundervollen Blick auf einen Wasserfall und die umliegenden Berge. Bei einem kleinen See angekommen, stoppen wir. Würden wir hier weiterlaufen, kämen wir irgendwann wieder am Kingshouse Hotel raus.
Wir drehen also lieber wieder um und kehren noch in einem kleinen Café ein. Dort sitzen auch ein paar ältere Damen, die zu ihrem Kuchen das typische pappsüße, orange Irn-Bru - eine schottische koffeinhaltige Limonade - trinken. Die Kombination finden wir etwas abenteuerlich, aber jedem das Seine 😅.
Mit dem Bus geht es dann zurück nach Kinlochleven.
Tag 8: Kinlochleven - Fort Williams
Auf den letzten 25 km zeigt Schottland nochmal, was es kann: Regen und Sonne, schöne Landschaften und Einöde / gerodete Waldflächen, Schafe, Schafe, Schafe.
Am Ende ist es dann geschafft. Nach gut 200 km erreichen wir Fort Williams und im strömenden Regen auch unsere Unterkunft.
Fazit
Der West Highland hatte häufig den Charakter von Typ 2 Spaß (erst im Nachhinein schön). Der viele Regen ist uns leider stellenweise aufs Gemüt geschlagen, sogar die Schotten nannten es einen regenreichen Sommer.
Nichtsdestotrotz ist der West Highland Way ein wirklich schöner und gut ausgebauter Wanderweg, auf dem man die Natur und die traumhaften Landschaften der Lowlands und Highlands genießen kann, ohne der Zivilisation zu fern zu sein. Die Namen der Berge, Täler und Seen laden zum Träumen ein und Schottland ist voller Mythen und Sagen, die den Weg auf jeden Fall aufregender und ein wenig mystisch machen.
Auf dem West Highland Way kann jeder so laufen, wie es für ihn richtig ist - man kann kurze und lange Etappen gehen, einkehren oder zelten und seinen Rucksack selber tragen oder transportieren lassen. Damit ist er für jung und alt gleichermaßen gut machbar. Für uns war es der ideale Einstieg zum Fernwandern.