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Tag 3 - Kilometer fressen

Die Nacht endet so früh wie der Abend begann. Ein fröhlicher Hahn ruft den Hirten zum Dienst und uns gleich mit. Wir frühstücken vor dem Kamin, dann geht es los. Heute erwarten uns nochmal mehr Kilometer, es gilt Strecke zu machen.

Früh laufen wir los. Solange, bis ich mein Handy aus dem Flugmodus umstelle. Dann ist es auf einmal eine Stunde später. Hat dieses Mistding heimlich die Uhrzeit umgestellt! Uns ausgerechnet an diesem langen Tag eine Stunde zu klauen erscheint nicht fair.


Und so hetzen wir über die Ziegenwiesen, vorbei an Ruinen ins Tal und erreichen das richtige Hüsyin Yilmaz Haus um 9:20 Uhr, statt wie geplant 8:20 Uhr. Wortreich entschuldigen wir uns und freuen uns über ein zweites Frühstück und vor allem Lunch to Go, der frisch für uns zubereitet wird. 40 Minuten später brechen wir wieder auf. Noch 25 km liegen vor uns.

Die ersten Kilometer geht es auf breiten Forststrassen abwärts und wir kommen gut voran. Das gibt uns wieder Sicherheit, rechtzeitig anzukommen. Außerdem halten wir uns strikt an einen Pausenplan. 50 Minuten laufen, dann 10 Minuten Pause: Rucksack ab, sitzen, trinken, Müsliriegel und dann geht es weiter. Mit dieser Stringenz haben wir zum Mittagessen bereits die Hälfte der Strecke geschafft.


Mittags essen wir an einem verlassenen Haus mit herrlichem Blick auf das Tal. Weil es so schön ist, lasse ich auch gleich die Drohne steigen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken, um sie im Blick zu behalten... 

Da durchfährt mich stechender Schmerz. In meinem Nacken hat eine Biene eine Pause eingelegt und etwas klaustrophobisch reagiert. Das arme Tierchen leidet darunter mehr als ich und Martin erlöst sie schnell von ihrem Leid. Danach presst er ohne Ekel vor der Schweiß und Sonnencreme Mischpoke seine Lippen auf den Stich und versucht das Gift auszusaugen. Danach erinnern wir uns an den No-Bite-Stift, den wir dabei haben und brennen den Stich aus. Was genau nun geholfen hat, weiß ich nicht, aber der Stich tut nicht mehr weh, schwillt nicht an und juckt auch nicht. Da hatte ich deutlich mehr Glück als die Biene.

Wir beenden unsere Pause und laufen weiter. Schon vormittags hatten wir das Glück überwiegend im Schatten zu laufen und auch nachmittags führt der Weg über schattige Waldwege. 


Am späten Nachmittag kommen wir auf einem Bergrücken an imposanten Ruinen aus dem 6ten Jahrhundert vor Christus vorbei. Zwei breite Türme sind noch deutlich erkennbar, mit ihrer Verzierung am Rand. Außerdem ein großer Sarkophag. Alles ist frei zugänglich, wir können in die Gebäude hineingehen und auf den Mauern herumklettern. Die Ruinen, die auf dem Weg liegen, lassen die Wanderung auch für Martin immer spannend und schön bleiben. 

Danach ist es nicht mehr weit bis nach Cukurbag, dem Ort wo wir heute schlafen. Mit tiefstehender Sonne klettern wir über Steine, quetschen uns durch stachelige Büsche und genießen das milde Klima. Mit dem Gebet des Imams erreichen wir den Ort. Von hier sind es noch 2,5 km bis ins Hotel. Nach der Hälfte der Strecke hält ein Wagen neben uns – der Besitzer des Hotels. Er fragt, ob er uns mitnehmen soll. Ob er das bereut, als wir stinkende, klebrige Wandersleut bejahen? Er lässt auf jeden Fall das Fenster offen und genießt den Fahrtwind.


Das Hotel ist charmant und gemütlich, allerdings sind die Gastgeber nicht ganz so herzlich wie bisher. Wir genießen die heiße Dusche sehr. Sauber und erfrischt sitzen wir beim Abendessen und kommen mit zwei Deutschen ins Quatschen. Danach planen wir die weitere Wanderung. Da wir ohne Zelt gestartet sind können wir nicht nach 20 km einfach aufhören und in Ufakdere zelten. Das nächste Dorf Kas würden wir aber nach 8 km schon erreichen, das ist mir zu kurz. Die nächste Übernachtungsmöglichkeit nach Kas scheint erst in Bogagiz zu sein. Das wäre insgesamt 28 km, mit 600 hm nach oben und 1.200 hm nach unten. Auf so einen Mammutmarsch haben wir auch keine Lust. Also beschließen wir, eine Etappe zu überspringen und mit dem Taxi am nächsten Morgen nach Kas zu fahren und von dort auf dem Lykischen Weg weiterzulaufen. Mit diesem Plan können wir bald beruhigt einschlafen. 

Weiter geht es:

Tag 4 - Küstenidylle