In Antalya angekommen sind wir sehr überrascht. Unser Hotel liegt in der Altstadt, wir kommen Freitag Abend gegen 22 Uhr an. Um uns herum ist Party. Clubs reihen sich an Pubs und Restaurants, jede Menge Leute die feiern. Und eindeutig nicht nur Touristen. Die meisten sind junge Türken und Türkinnen, die ins Wochenende tanzen. Habe ich mir noch intensiv Gedanken gemacht, ob ich Tops oder T-Shirts überhaupt tragen darf, begegnen mir die Frauen hier mit soviel Bein, dass ich mich teils frage, ob sie überhaupt noch eine Hose tragen. OK, denke ich mir, das ist die Stadt. Antalya ist jung und modern.
Beim Wandern kommen wir dann ja tatsächlich auch in Gegenden mit wenig Tourismus. Hier zeigen sich die Frauen doch eher, wie erwartet, mit langen Hosen und langen Ärmeln sowie Kopftuch. Ich trage meistens eine lange Wanderhose und ein kurzärmeliges T-Shirt, das scheint vollkommen OK zu sein. Einige jüngere Frauen tragen ebenfalls kein Kopftuch und kurze Ärmel. Dennoch zeigt sich für uns ein deutlicher Unterschied zwischen Stadt und Land und der Rolle der Frau.
Auf dem Land, scheint es uns, arbeiten die Frauen noch viel im Garten und Haus: Früchte verarbeiten, kochen, Ziegen hüten, waschen, gehen aber keiner kommerziellen Tätigkeit nach. Dadurch hatten wir natürlich tolle selbstgemachte Marmeladen, frische Speisen und wurden rundum verwöhnt.
Das Leben auf dem Land ist hier generell eher hart und noch ursprünglich. Schaut man sich die Ziegenhirtenfamilie von Hüseyins Haus an, sieht man die klare Verteilung von Rollen. Er kümmert sich um die Ziegen. Mit einem Tuch unter der Nase als Geruchsschutz geht er früh morgens zum Misten in den Stall, melkt die Ziegen und führt sie dann zum Grasen über die Berge. Er wird erst mit Anbruch der Dunkelheit zurückkommen.
Sie dagegen wäscht bei Sonnenaufgang mit kaltem Wasser das Geschirr vom Vortag, hockt am Boden und schaut in die Berge. Sie wird tagsüber kochen, Früchte einkochen, Nüsse sammeln, waschen und Wanderer zum Tee oder Essen auf ihrer Terrasse einladen. Damit verdient sie auch bestimmt auch einen guten Teil des Gesamteinkommens der Familie, auch wenn sie dafür auf eigenes Essen verzichtet und nur ein paar Scheiben Brot in Tahine und Sirup tunkt.
Eine Toilette gibt es nicht, eine Latrine, einige Meter vom Haus entfernt. Auch hier keine Sitzgelegenheit, sondern nur ein Loch im Boden. Mit müden Beinen und alten Knien scheint mir das besonders mühevoll. Muss man nachts nochmal raus, hat man einen unglaublichen Blick auf den Sternenhimmel, friert allerdings ein wenig, bis man sich zurück unter die warme Decke kuscheln kann. Eine Dusche gibt es nicht. Man wäscht sich mit Wasser aus Eimern vor dem Haus. In einer alten Konservendose wird für uns ein wenig Wasser über der Gaskartusche aufgewärmt, ob sie sich selber diesen Luxus gönnen ist mir nicht klar.
So hart ist dieses Leben, ohne einfachste Annehmlichkeiten wie Strom und fließend Wasser. Der nächste Supermarkt ist drei Stunden zu Fuß entfernt, ein Auto haben sie nicht. Würden sie es eintauschen, gegen ein vermeintlich leichteres Leben in der Stadt? Ich frage mich, ob die Hirten auch schöne Seiten an diesem Leben sehen. Haben sie doch so viel, was wir vermissen, leben nah an der Natur und ohne ständige Nachrichtenflut und Information, dem Stress mehr zu brauchen, mehr zu wollen. An diesen wundervollen Sternenhimmel, die Ruhe und die Gemütlichkeit in den Decken werden wir uns noch lange erinnern.
Trotzdem scheint diese Art zu Leben inzwischen eher selten zu sein. Die Häuser im Dorf oder in der Stadt sind alle an das Stromnetz angebunden und fließend Wasser gibt es auch. Wo das dann allerdings hin fließt, weiß ich nicht, zumindest teilweise habe ich es noch deutlich in den Garten plätschern hören, nachdem ich mir die Hände gewaschen habe.
In den Dörfern gibt es jeweils mindestens eine Moschee. 5 mal am Tag klingt das Gebet des Imams über die Lautsprecher aus den Türmen der Moschee durch das Dorf. Teilweise hören wir es sogar noch hoch oben auf dem Berg. Wir sind ja weder muslimisch noch verstehen wir im Ansatz was gebetet wird. Trotzdem mögen wir den Gesang, wirkt er doch orientalisch und heimelig zugleich. Was uns auffällt ist, daß wir gar nicht festmachen können wann gebetet wird. Mal beginnt das erste Gebet um 06:10 Uhr, mal um 06:14 Uhr. Auf fällt nur, dass es nie um 'Punkt' stattfindet, also nicht um 6:00 Uhr wie bei uns die Kirchenglocken läuten würden.