Portpatrick
Wir erreichen Schottland über Edinburgh morgens um 10 Uhr. Nicht viele Flieger starten von München Richtung Schottland und so ist das unsere einzige Möglichkeit.
Mit dem Schnellbus geht es nach Edinburgh und wir kaufen die letzten benötigten Dinge in einem Outdoorladen: Kochergas und Netze gegen Midgets. Danach geht es über Glasgow bis nach Ayr und von dort in den Schienenersatzverkehr bis nach Stranaer.
Mit dem Bus fahren wir durch die idyllische Landschaft. Rechts das Meer, die Sonne glitzert in den Wellen und immer wieder durchzieht ein Duft von Tang und salziger Meerluft den Bus. Auf der linken Seite wellen sich grüne Hügel, auf denen Schafe und Kühe weiden. Ab und zu durchqueren wir kleine Dörfer. Die Häuser sind aus sandfarbenem Stein gebaut, die Schornsteine ragen in den blauen Himmel. Der Schienenersatzverkehr war ein großes Glück für uns, konnten wir doch so bereits einen guten Eindruck von der Landschaft und dem idyllischen Leben auf dem Land gewinnen.
Portpatrick selbst ist ein niedliches kleines Dorf an der Außenseite eines kleinen Landvorsprungs, der wie eine Fischflosse aussieht. Ein kleiner Hafen, umgeben von einigen Häuschen und kleinen Hotels. Ein kleiner Leuchtturm weist die Einfahrt in den Hafen. Wir finden uns schnell im Crown Pub wieder. Der urige Ort bringt Jung und Alt zusammen. Am Nachbartisch treffen sich vier ältere Damen auf eine Flasche Wein, daneben eine junge Familie mit Kindern. Gegenüber hat ein junges Paar ein Date. Zurechtgemacht in einem geblümten Sommerkleidchen und er mit Dickies Hipster Hose tun sie sich an Bier und Cocktail gütlich. Wenige Tische weiter ein älteres Ehepaar. Er bringt ihr ein Glas Wein zum Tisch und die beiden sitzen in einträchtiger Stille zusammen und genießen die Atmosphäre im Pub. Im Hintergrund wird das EM Spiel Schweiz gegen Italien übertragen, Fußballtrickots sind jedoch im Pub verboten. Was für ein gemütlicher Ort für einen Samstag Abend. Denn obwohl die Sonne scheint und auch vor dem Pub jede Menge Menschen im Sommeroutfit gemeinsam etwas trinken, ist es uns doch deutlich zu kalt dafür.
Bestellt wird am Tresen. Vier Leute zapfen gleichzeitig Bier oder schenken Wein und Cocktails aus. Gezahlt wird direkt und so läuft auch bei diesem Auflauf an Menschen alles korrekt. Unser Essen wird uns dann an den Tisch serviert, typisch schottisch, eine riesige Portion und anständig Mayonnaise. Aber irgendwie muss man sich bei dem Wetter ja warm halten.
Nach dem Essen klettern wir noch ein bisschen über die Klippen am Meer. Trotzdem es bereits 21 Uhr ist, ist es immer noch hell, was uns nach 1.5 Jahren Leben in Indien besonders positiv auffällt.
Der Wind und die frische Seeluft weht uns um die Nasen und wir machen uns bald auf den Weg ins Bett. Mit offenem Fenster kuscheln wir uns in die warmen Daunen ein und lauschen dem Rauschen des Meeres.
Portpatrick - Castle Kennedy
Wir stärken uns mit einem wunderbaren Frühstück im Hotel bevor wir uns endgültig auf den Weg machen. Den Southern Upland Way. Die erste Tagesetappe erwartet uns mit 27km.
Das Wetter ist zunächst leicht regnerisch, klart aber schnell auf.
Der Weg führt zunächst an der Küste entlang. Auf einem schmalen Pfad wandern wir entlang, Dünengräser, Farne und wilde Orchideen säumen den Weg. In einer Bucht entdecken wir zwei Seehunde, die im Wasser umhertollen. Die Sonne kommt heraus umd bald wird uns trotz des Küstenwindes angenehm warm.
Nach knapp 3.5 Kilometern erreichen wir den Killantringan Leuchtturm und nun verlassen wir die Küste und starten die Reise durch das Landesinnere. Der Weg führt überwiegend über sehr kleine Strässchen und Feldwege durch die sanften grünen Hügel der Küstenregion. Schafe und Kühe weiden auf den saftigen Wiesen unter blauem Himmel. Idylle pur.
Nach einer Weile queren wir unsere erste Kuhweide mit Jährlingen. Die jungen Rinder sind sehr an uns interessiert und galoppieren fröhlich auf uns zu. Kurz nach der Weide findet Martin seinen ersten Schatz. Auf dem gesamten Weg sind immer wieder Sammelmünzen versteckt, die sich mal leichter, mal schwerer und manchmal auch gar nicht finden lassen.
Unser Weg führt uns weiter in Richtung Castle Kennedy. Ein älteres Ehepaar lädt uns freundlich zum Tee auf der Terrasse ein und wir nehmen dieses Angebot nur zu gerne an. Den schottischen Akzent verstehen wir aber nur schwer - manchmal fragen wir uns, ob wir tatsächlich die gleiche Sprache sprechen 😅.
Bei Castle Kennedy soll es einen kleinen Spar Supermarkt geben. Wir benötigen noch Wasser und lechzen nach ein paar salzigen Snacks und so eilen wir nach der Teepause weiter. Und tatsächlich der Supermarkt hat offen und wir decken uns ein.
Kurz nach dem Castle Kennedy finden wir dann auch endlich einen geeigneten Zeltplatz, vor den Ruinen eines alten Hofs. Wir schlagen unser Zelt auf, kochen unser Abendessen und kriechen dann ins Zelt. Nachts prasselt der Regen, aber wir bleiben trocken.
Castle Kennedy - Beehive Bothy
Der nächste Morgen beginnt nass und wir frühstücken unter dem Dach der Ruinen. Das Zelt packen wir zusammen, aussen ist es leider nass. Bevor wir endgültig aufbrechen laufen wir nochmal zurück in Richtung Castle Kennedy um an einem der nahen Wohnhäuser Leitungswasser zu bekommen.
Der Southern Upland Way führt heute durch moorige Wiesen, durch Märchenwälder und abschließend durch einen Windpark zur Beehive Bothy. Es regnet konstant aber kaum merklich, ganz dünne feine Tropfen fallen. Für die Schuhe ist das hohe nasse Gras jedoch der Endgegner und schon bald schmatzt jeder Schritt und Tritt und die Füße schwimmen in den Schuhen. Trotzdem ist die Landschaft eindrucksvoll.
Regen sammelt sich an den Blüten der zahlreichen lila Diesteln und Fingerhutpflanzen, helle Gräser beugen sich unter der Wasserlast.
Streckenweise wird es waldiger. Dickes grünes Moos bedeckt gefallene Bäume, Farne überziehen den Boden. Eine wunderschöne und sehr feuchte Märchenlandschaft. Dass hier die Mythen von Feen und Trollen entstanden, ist leicht nachzuvollziehen. Die Stadt Dumfries, die Geburtsstadt von Peter Pan ist auch nur knappe 100 Kilometer entfernt.
Der Schatz, der in diesem Wald versteckt ist, ist glücklicherweise leicht zu finden. Eine leuchtend bronzefarbene Münze belohnt die Mühen des Weges.
Mittags gießen wir uns eine Tütensuppe mit heißem Wasser auf und knabbern Käse. Die Füße haben wir von den nassen Schuhen und Socken befreit und gönnen ihnen eine Trockenpause.
Der Nachmittag läuft sich dann nicht mehr ganz so leicht, die nassen Füße schieben sich nur noch unwillig über die moorigen Trampelpfade und Windräder säumen den Weg. Nach 22 Kilometern sehen wir dann endlich die Hütte als Ziel für diese Nacht. Beehive Bothy - Bienenstock Hütte - macht ihrem Namen alle Ehre, wie ein Bienenstock ragt sie auf.
In der Hütte trocknen die Füße wieder, die Schuhe eher nicht. Ich pflücke mehrere Zecken von mir ab, dann lassen uns ein Abendessen schmecken. Bald darauf rollen wir uns in unseren Schlafsäcken zusammen.
Beehive Bothy - Glentrool
Am Morgen steigen wir in die noch klammen Socken und die feuchten Schuhe und nehmen das nächste Stück des Weges in Angriff.
Es regnet nicht. Ist aber kühl und unfreundlich. Auch das erste Stück des Weges ist eher wenig einladend, die Windräder brummen um uns herum. Hinter den sieben Bergen bei den sieben- hmm ja, Schotten- da liegt ein Campingplatz, unser Ziel für die Nacht.
Trotzdem läuft es sich ganz gut weg. Meistens über Feldwege geht es schnell voran und wir machen Mittagspause nachdem wir bereits die Hälfte der Strecke zurück gelegt haben. Wir kochen uns Couscous, lassen die Füße im Wind trocknen und beenden unsere Mittagspause mit einem Snickers.
Nachmittags ist die Landschaft wieder deutlich eindrucksvoller, dennoch, ein Hügel folgt dem nächsten ehe wir endlich an unserem gebuchten Campingplatz ankommen.
Wir stellen unser Zelt auf, gejagt von einem wilden Schwarm Midgets - winzig kleinen Stechmücken, die fies Blut saugen und deren Bisse auch noch Tage später jucken und geschwollen sind.
Glücklich über den kleinen angeschlossen Shop gönnen wir uns ein kühles Getränk, eine Packung Nudeln und vor allem eine heiße Dusche.
Glentrool - White Laggan Bothy
Die Nacht schüttet es aus Eimern, zum Glück bleiben wir schön trocken im Zelt. Wir frühstücken geschützt vor den Midgets, die auch morgens sehr aktiv sind, in einer kleinen Hütte am Zeltplatz, ehe wir weiterlaufen. Für ein paar Meter laufen wir nicht auf dem eigentlichen Southern Upland Way, aber wir möchten an einem kleinen Cafe im Glentrool Visitor Center vorbei. Hungrig nach etwas teigigem erreichen wir das Café gegen 10:30 Uhr. Wir können unser Glück kaum fassen, das Cafe hat auf und bietet Scones und belegte Baguette an. Das wird ein Festessen, welches wir uns hier zum Mitnehmen einpacken lassen.
Vom Café aus sind wir bald am offiziellen Southern Upland Way und laufen idyllisch an einem Fluss entlang. Schließlich erreichen wir auch den See aus dem der Fluss entspringt. Wiedereinmal ist die Landschaft malerisch, auch wenn es kontinuierlich regnet. Auf diesem Stück des Weges wurden auch entscheidende Schlachten im schottischen Unabhängigkeitskrieg geschlagen. Robert the Bruce schaffte es, deutlich in der Unterzahl, eine englische Heerschar zu besiegen, indem er sie in dem engen Stück zwischen Hang und See mit grossen Felsbrocken überrollte.
Mittags genießen wir das Sandwich während einer kurzen Regenpause mit Blick auf den Loch Trool. Von dort aus windet sich der Weg malerisch zwischen Hügeln entlang, pinken Heidekraut säumen den Weg. Trotz des dauerhaften Regens sind unsere Füße nicht deutlich nasser geworden, bis dato führt der Weg nicht durch Wiesen, sondern über Feldwege. Das ändert sich jedoch, als wir am frühen Nachmittag Loch Dee erreichen und zur White Laggan Bothy aufsteigen. Der Weg zur Hütte hat sich durch den dauerhaften Regen in ein kleines Bächlein verwandelt und unsere Schuhe geben auf.
An der Hütte angekommen werden also wieder Füße getrocknet. Das bedeutet barfuß laufen bei nur 12 Grad Celsius - ist also nur bedingt angenehm. Wir machen es uns mit unseren Scones bequem und genießen den Nachmittag mit Hörbuch hören und von der Hütte aus den Waldrand bewundern.
Die Bothies sind sehr rudimentär eingerichtet, sie bieten letztlich ein Dach, eine Bank auf der man seine Schlafmatte ausrollen kann und diese Hütte sogar einen Ofen. Holz müsste man sich jedoch selber schlagen. Fließend Wasser findet man in einem Bächlein vor der Hütte, für einen Toilettengang schlägt man sich durch den Sumpf ins nahe gelegene Waldstück durch. Wir genießen doch die Einfachheit der Hütte, lassen unser Zelt trocknen und kuscheln uns rief in unsere Schlafsäcke ein.
White Laggan - St. John's Town of Dalry
Der Aufbruch aus der gemütlichen Hütte fällt nicht leicht, aber wir passen ein regenfreies Fenster ab und machen uns auf den Weg. Das Wetter ist heute meistens sonnig, unterbrochen von kurzen aber heftigen Regen und Hagelschauern. Wir verbessern unsere Fähigkeiten in Windeseile in den Poncho zu schlüpfen.
Vollkommen aus dem Nichts habe ich eine Entzündung an der rechten Achillessehne entwickelt. Das Gewicht des Rucksacks mit ca 14 kg und die Idee ohne Stöcke zu laufen scheinen etwas zu viel gewesen zu sein. Der Schuh wird leicht modifiziert, dann kann weiter gewandert werden.
Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, der Weg ist traumhaft schön. Den Vormittag laufen wir zumeist noch über Forstwege, die ein schnelles vorankommen ermöglichen. Nachmittags gilt es erneut unzählige Hügel zu queren. Die Landschaft verändert sich stetig. Wären wir mit dem Auto unterwegs, würde es uns vielleicht gar nicht so auffallen, zu Fuß jedoch, nehmen wir die Veränderung deutlich wahr. Wir sind so remote unterwegs, nur selten kommen wir an einem Bauernhof vorbei. Diese einsamen Weiten hatten wir uns zwar erhofft, aber nicht erwartet. Und auch wenn es zumeist kalt und nass ist, so waren wir doch mental auf dieses Wetter eingestellt und können diese Wanderung vollends genießen.
Inzwischen sind wir auch vollkommen im Wandermodus angekommen. Es fiel uns dieses Mal recht schwer, diesen Zustand zu erreichen, in dem wir einfach alle Gegebenheiten akzeptieren und laufen.
Zwischendurch wringen wir mal wieder unsere Socken und Schuhe aus. Je näher wir St. John's Town of Dalry kommen, desto lieblicher wird der Weg auf dem wir wandern. Am Ende begrüßt uns die Stadt mit einem wunderbaren Regenbogen. Schöner kann unsere Ankunft wirklich nicht sein.
Wir erkunden noch kurz den alten Friedhof an der Kirche, bevor wir ins Clachan Inn einchecken.
Der Pub übertrifft jede Erwartung! Nicht nur gibt es reichlich Auswahl an vegetarischen Essen, es schmeckt auch außergewöhnlich gut. So hervorragendes Essen auf der Insel und ein gemütliches Bett - nach den letzten Tagen können wir das nun wirklich genießen.