Das erste Viertel des Weges, von Portpatrick bis St. John's Town of Dalry, ist geschafft. Wir wollen einen Pausetag einlegen, die Füße müssen mal wieder komplett trocknen.
Außerdem haben wir mehr Gas verbraucht als geplant. Dadurch, dass es relativ kühl und feucht für Juli ist, brauchten wir häufig warmes Wasser für Tee. Da wir nicht sicher sind, ob das restliche Gas noch vier Tage bis Moffat reicht, beschließen wir aus der Not eine Tugend zu machen: Wir fahren mit dem Bus nach Moffat und legen dort einen Ruhetag ein. Von dort aus laufen wir dann zurück nach Dalry (gesprochen übrigens Dälrei).
In Moffat kaufen wir Gas, Vaseline für die Füße und Essen für die kommenden Tage ein. Wir lassen uns Kuchen in den kleinen Cafés schmecken, genießen die frischen Scones aus der Bäckerei und trinken den ein oder anderen Cider in den lokalen Pubs. Wir schlendern durch die Straßen, lauschen gerührt einem Strassenmusiker und tauchen ein in die Geschichte der Stadt.
Moffat hat uns verzaubert!
Und trotzdem heißt es am nächsten Tag: weiterlaufen auf dem Southern Upland Way!
Von Moffat zum Daer Water Reservoir
Wir verlassen Moffat nach einem etwas zu ausgiebigen Frühstück. Es ist bereits 10:30 Uhr, als wir endlich loskommen. Wir laufen bei schönstem Sonnenschein aus der Stadt hinaus, nur um uns dann direkt vom ersten Schauer erfrischen zu lassen.
Wir essen spät zu Mittag, dafür aber mit einem Dach über dem Kopf. Gegen 15 Uhr erreichen wir die Brattleburn Hütte. Hier treffen wir auf einen Schotten aus Glasgow, der sich Holz für die Nacht hackt. Auch wenn es verlockend ist zu bleiben, wollen wir noch ein Stückchen weiter gehen.
Der Beld Knowe Hill am Stausee Daer raubt uns den letzten Nerv. Statt direkt zum Stausee führt der Weg am Rande einer großen Weide entlang: erst steil den Hügel nach oben, dann steil wieder herunter. Die Wiese ist ein Matschloch, wir kommen schlecht voran. Die Füße sind nass, die Stimmung ist schlecht und wir verfluchen den Bauern, der hier offenbar nicht wollte, dass der SUW über den direkten Weg führt. Nach einiger Mühe ist aber auch dieser beschwerliche Abschnitt geschafft.
Kurz nach dem Stausee können wir endlich unser Wasser wieder in einem Flüsschen auffüllen, dann wird ein Zeltplatz für die Nacht gesucht.
Der Abend ist schön sonnig - das führt aber dazu, dass wir auf der Speisekarte der Midgets stehen. Tausende dieser Biester umschwirren uns. Wir essen so schnell wie möglich und verschwinden dann im Zelt, nur um Ruhe vor den Bissen zu haben.
Daer Water Reservoir - Sanquhar
Auch an diesem Morgen schaffen wir es nicht, früh aufzustehen. Bis wir gefrühstückt haben und alles zusammen gepackt ist, ist es wieder 10 Uhr. Wir starten bei schönstem Sonnenschein.
Erste Wegmarke ist die alte Radarstation bei Wanlockhead. Der Weg führt erstmal durch schöne Wiesen, dann aber steil bergauf. Knapp 400 Höhenmeter geht es steil nach oben, natürlich über Schafwiesen. Als wir gegen 15 Uhr endlich ankommen, finden wir glücklicherweise auch einen guten Platz für eine Mittagspause.
Nach der Mittagspause geht es nach Wanlockhead. Das süße Städtchen ist die höchstgelegene Ortschaft Schottlands, und das nur 470 m über dem Meeresspiegel. Der Ort blickt auf einen Minenhistorie zurück. Bereits die Römer bauten hier Blei ab, später wurden auch Zink, Kupfer, Silber und Gold abgebaut. Wir erreichen den Ort leider außerhalb der Öffnungszeiten des Minenmuseums, füllen aber unser Trinkwasser in einem lokalen Café auf.
Von Wanlockhead wurden früher die Toten zur Beerdigung auf den Friedhof nach Sanquhar getragen und genau diesem Weg folgen wir jetzt auch. Noch zwei Hügel und jede Menge Schafweiden, ehe wir im Lichte der tiefstehenden Sonne Sanquhar erreichen.
Hier übernachten wir in einem Pub. Da wir die Wirtschaft erst nach 20:30 Uhr erreichen, wird kein Essen mehr serviert. Wir kochen uns schnell unsere Campingnudeln, bevor wir uns an der Bar noch ein Cider genehmigen.
Sanquhar - Chalk Memorial Bothy
So traumhaft schön der vorherige Abend war, der nächste Morgen ist kalt und regnerisch und der Tag verspricht nichts Gutes. Den ganzen Tag regnet es aus Eimern. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Chalk Memorial Bothy, wo wir auch bleiben. In der Hütte finden wir ein wenig trockenes Holz sowie Sägen.
Nach einem schnellen Mittagessen zerkleinern wir also Holz und sammeln aus den umliegenden Wäldern Äste, Reisig und größere Holzstücke. Auch wenn alles nass ist, sobald wir mit dem trockenen, in der Hütte verfügbaren Holz ein vernünftiges Feuer haben, wird auch das nasse Holz brennen. Das Holz aus der Hütte ist zwar trocken, war aber in der Vergangenheit sehr morsch. Morsches Holz, u.a. auch Treibholz erzeugt wenig Hitze. Und so sind wir froh, mit den verschiedenen Ressourcen arbeiten zu können.
Bei der Verarbeitung des Holzes schnallt mir ärgerlicherweise ein Ast ins Auge, es blutet nicht und wir sind echt im Outback, also heißt es Augenklappe (umfunktionierte Schlafbrille) auf und weiter im Text. Zwei Tage später tut es nicht mehr weh und ich sehe auch wieder richtig.
Abends sitzen wir gemütlich vor dem knackenden Feuer, die Klamotten hängen um uns herum und trocknen. Es ist richtig heimelig und wir genießen die wohlige Wärme sehr.
Chalk Memorial Bothy - St. John's Town of Dalry
Unser letzter Wandertag beginnt früh. Es warten knapp 30 km auf uns und wir möchten nicht erst kurz vor Sperrstunde in Dalry ankommen, ist doch das Essen im Clachan Inn so unglaublich gut.
So starten wir bereits um 7:20 Uhr aus der Hütte. Die Socken und Schuhe, die in der Wärme des Feuers gut getrocknet sind, werden schnell wieder nass. Der Weg führt durch sehr moorige Abschnitte, vorbei an gerodeten Waldflächen. Erst am frühen Mittag wird es landschaftlich wieder eindrucksvoller. Mit dem Wetter haben wir Glück, nachdem wir eine gute Weile durch dichten Nebel wandern, setzt sich bald die Sonne durch.
Mittags essen wir in einem alten Steinkreis nahe der Stroanpatrick Farm. Kurz danach bitten wir den Bauern von Culmark um Trinkwasser. Wir halten einen ausgiebigen Plausch, ehe wir das letzte Stück bis Dalry antreten. Als wir dort gegen 17:30 Uhr eintreffen, sind wir nass und müde, aber auch so glücklich und erfüllt von der Schönheit, Ruhe und Einsamkeit des Weges.
Das Clachan Inn ist das perfekte Ende dieser Etappe. Eine heiße Dusche später lassen wir uns das vorzügliche Essen schmecken, schauen kurz in das EM Spiel England vs. Niederlande und schlafen alsbald zufrieden im weichen Bett.