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Ein Ultramarathon im Himalaya

Erst einen Marathon in den Beinen, aber voller Selbstvertrauen: Warum nicht gleich ein Ultramarathon im Himalaya? Der Solang Sky Ultra – 60 Kilometer und 4.000 Höhenmeter, hinauf bis auf beeindruckende 4.500 Meter – schien die perfekte Herausforderung. Die Anmeldebestätigung ließ allerdings nicht lange auf sich warten: ein DNF („Did Not Finish“)-Zertifikat. Kein Zufall, denn bei diesem gnadenlosen Wettkampf schaffen es über die Hälfte der Teilnehmenden nicht ins Ziel – zumindest nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit.

Da wir zu der Zeit in Bangalore lebten, waren die Trainingsmöglichkeiten in Bezug auf Höhenmeter dabei auch sehr eingeschränkt. 

Aber, ich bin es angegangen und habe es geschafft. 


Aufgrund von Unwettern wurde der Start nach hinten geschoben, die Strecke verkürzt, dennoch bin ich am Ende 55km, knapp 3000 Höhenmeter, bis auf 3886m gelaufen.

Vorbereitung und Training

Wie trainiert man für einen Ultramarathon und erst recht, wenn man in Indien lebt? Diese Frage habe nicht nur ich mir öfter gestellt. 


Bangalore ist relativ flach und hat keine Berge oder Trails in für mein Verständnis entsprechender Nähe. Um also die Höhenmeter zu simulieren bin ich häufiger zusätzlich zum normalen Lauftraining auf den Crosstrainer in unserer Wohnanlage gestiegen. In 2 Monaten habe ich immerhin rund 12 Stunden auf diesem Biest verbracht. 


Für den Ultramarathon waren als Bedingung zur Teilnahme 2 Marathons innerhalb eines Jahres gefordert. Da ich erst einen Marathon gelaufen war, musste ich spontan nach Vietnam, Da Nang, fliegen, um meinen zweiten Marathon zu laufen und so die Teilnahmebedingungen zu erfüllen. Im feucht-tropischen Klima war das nochmal eine Erfahrung der anderen Art und ist eine Geschichte für sich.


Drittes Highlight der Vorbereitungen war eine fünftägige Wanderung im Himalaya, zwei Wochen vor dem Wettkampf, mit der ich den Grundstein für die Höhenakklimatisierung legen konnte.


Das restliche Training – ob Laufen oder intensive Krafteinheiten – wurde schnell zur monotonen Pflichtübung. Das Laufen auf den Straßen Bangalores glich einem Abenteuer, das oft auch mit Risiken verbunden war. Daher verlegte ich meine langen Läufe häufig auf das Laufband, was zwar praktisch, aber wenig inspirierend war. Ein Lichtblick war jedoch die Laufgruppe: Die Mitglieder waren nicht nur unglaublich freundlich, sondern auch eine echte Motivationsquelle.



Der Lauf

Ganz die braven Deutschen erschienen wir gegen 4:30 Uhr früh zum Startpunkt. Ein paar verstreute Läufer waren bereits ebenfalls anwesend und gemeinsam drängten wir uns in einem Zelt um die Feuerstelle, um der Kälte des frühen morgens zu entkommen. Ein Gewitter und einen Regenschauer galt es noch abzuwarten, dann ertönte endlich der Startschuss. 

Die ersten Kilometer liefen sehr leicht ein Flussbett hinab, nach ca. 1 Stunde folgte dann der erste Anstieg. Mit ihm ein Regenschauer der anderen Sorte, ich war komplett durchnässt. Die Route führte abwechslungsreich durch kleine Bergdörfchen, vorbei an alten Apfelbäumen und Tempeln, durch Wälder und natürlich über den ein oder anderen Hügel. Nach der Hälfte der Strecke war ein Drittel der Höhenmeter geschafft und wir kamen wieder am Startpunkt vorbei. Glücklicherweise hatte ich in meinem Drop Bag ein paar frische Trailrunning Schuhe und Socken gepackt und konnte mir so trockene Füße verschaffen.


Zufällig habe ich kurz danach sogar noch Martin getroffen, was mir nochmal richtig Motivation gegeben hat.

Nun kam die richtige Steigung. Auf allen Vieren kletterte ich über große Felsen bergauf, so schnell ich konnte. Während dieser ganzen Zeit habe ich mir, teilweise sogar laut, gut zugeredet. “Du machst das super, ja das tut weh, aber du machst das klasse!”. Als ich dann endlich oben war und anfing nach unten zu joggen, da ahnte ich es schon fast. Der Berg da hinten am Horizont, der ist noch für uns reserviert. 

Das war dann erstmal mein Tiefpunkt des ganzen Rennens. Erschöpft hatte ich gehofft, den Anstieg geschafft zu haben. Mein Knie begann weh zu tun, die Cut Off Zeit saß mir im Nacken. Die Cut-off-Zeit ist die maximale Zeit, in der ein Läufer eine Strecke absolvieren muss, um gewertet zu werden - in diesem Fall 13 Stunden.


Wieder half gutes Zureden, aber um ehrlich zu sein auch lautes Fluchen. Der sogenannte Lady Leg Climb hatte es in sich - witzigerweise gibt es auf der Website des Rennens ein sehr unvorteilhaftes Bild von mir, das diesen Moment bestens einfängt.


Der steile Anstieg war irgendwann auch bezwungen, der Himmel zeigte sich in den bayrischen Nationalfarben und eine Herde Schafe starrte mich aus trägen Augen an. So nah liegen Freud und Leid in einem Ultra beisammen.


So schnell es trotz Knieschmerzen möglich war, machte ich mich auf den Weg nach unten. 


Ein paar Kilometer führte das letzte Stück dann an einer Straße entlang, bevor es über einen Trail endgültig ins Ziel ging.

Hier kam es zum nächsten Downer. Ein Auto hielt neben mir und ein Läufer aus dem 30km Rennen, welches bereits abgeschlossen war, teilte mir mit, dass ich falsch sei. Ich hätte die Abzweigung verpasst und müsse nochmal ein gutes Stück zurück. 

Über 2.5km rannte ich also wieder bergauf, bis zum Cut Off war es nur noch eine dreiviertel Stunde. Nach langem Suchen und einem Telefonat mit Martin war klar, die Info war falsch. So schnell ich konnte rannte ich also wieder zurück, ein Gewitter setzte ein. 

Martin lief mir entgegen, um mir die letzten Kilometer zu erleichtern und, was soll ich sagen, das war die größte Stütze und Motivation, die es gab. Auf den letzten Kilometern konnte ich nochmal richtig Tempo geben und erreichte nach 12:43 Stunden, 17 Minuten vor Cut Off als zweite Frau (und letzte Frau) das Ziel.

Kurz vor Cut Off erreichte glücklicherweise sogar noch ein Läufer, mit dem ich eine zeitlang gemeinsam lief das Ziel, was mein Glück noch toppte.


Das Finish

Die Anstrengung während des Laufs, die Strapazen des Trainings, die Zweifel, die mich vor dem Rennen – dem berüchtigten DNF Race – begleitet hatten: All das schien mit dem letzten Gewitterschauer wie fortgespült. Was blieb, war ein überwältigender Stolz auf meine eigene Leistung, eine tiefe Dankbarkeit für die Unterstützung meines Mannes und aller Helfer entlang der Strecke. Und die Gewissheit: Dies war mein erstes Ultra-Rennen, aber mit Sicherheit nicht mein letztes.


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Kommentare: 1
  • #1

    Christine (Freitag, 17 Januar 2025 12:34)

    Was für eine Leistung, dafür braucht es viel Leidenschaft!